Wenn Hunde erwachsen werden…
Mittelpunkt vieler Horrorgeschichten und dementsprechend auch unter Hundehalter*innen gefürchtet – die Junghundeentwicklung. Naja, an den neuesten Thriller kommt sie wohl noch nicht ganz heran, aber wirklich einfach wird es dennoch nicht. Doch was passiert eigentlich während der Junghundeentwicklung und warum ist sie denn für Hundehalter*innen so anstrengend?
Der Junghund
Die Junghundeentwicklung, welche umgangssprachlich übrigens auch Pubertät genannt wird, ist wohl eine der herausforderndsten Phasen für Hundehalter*innen. Gemeint ist eine Phase zwischen dem ersten und dem zweiten oder dritten Lebensjahr (je nach Größe des Hundes), in der sich der Hund in Aussehen und Verhalten verändert und vor allem auch beginnt, seine eigenen Bedürfnisse zu entdecken und zu kommunizieren. Das unterscheidet den Junghund stark vom Welpen, der noch sehr darauf bedacht war, möglichst in der Nähe seines Menschen zu bleiben und mit diesem zu kooperieren.
Pubertät, Adoleszenz und Junghundeentwicklung - Alles das gleiche?
Damit wir über die Junghundeentwicklung reden können, müssen wir zunächst definieren, welche Phase damit überhaupt gemeint ist. Denn das umgangssprachliche Wort „Pubertät“ bezeichnet eigentlich nur einen kurzen Abschnitt der Junghundeentwicklung. So repräsentiert die Pubertät die Zeit vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife des Hundes. Bei der Hündin ist dies die erste Läufigkeit. Bei Rüden ist dieser Zeitpunkt oft nicht ganz so leicht zu erkennen. Im Durschnitt sind Hunde jedoch im Alter von einem Jahr Geschlechtsreif und damit nicht mehr in der Pubertät. Ab diesem Moment setzt die Adoleszenz ein, die bei kleinen Hunden bis zum Alter von ca. 1,5 Jahre und bei großen Hunden bis zum Alter von ca. 3 Jahre dauern kann. Bis zum Abschluss der Adoleszenz ist der Hund ein Junghund und dementsprechend erst nach dieser Phase vollständig körperlich und geistig vollständig erwachsen.
Großbaustelle Hundegehirn
Wird der Hund erwachsen, finden im Gehirn des Hundes während der Adoleszenz einige Umbauarbeiten statt, damit es den Anforderungen eines erwachsenen Hundes gerecht werden kann. Klar, denn ein Welpe hat ganz andere Ziele, Bedürfnisse und Anforderungen als ein erwachsener Hund, dessen Hauptaufgabe das Zeugen von eigenem Nachkommen darstellt. Sitz, Platz und Fuß können in dieser Optimierung schnell als unnötig aussortiert werden, da sie nicht der Fortpflanzung oder dem Überleben dienen. Ein kleiner Vergleich gefällig? Das Gehirn des Junghundes entspricht während der Adoleszenz ungefähr einer deutschen Autobahn. Immer wieder gibt es Strecken, die verlangsamt befahren werden müssen, weil eine Baustelle den Verkehrsfluss stört. Vor der Baustelle besteht zu Stoßzeiten oft Stau und manchmal gibt es auch Totalsperrungen, wodurch man einen gänzlich anderen Weg zum Ziel suchen muss. Diese Totalsperren nehmen wir als „Vergessen von Gelerntem“ wahr.
Nutze, was da ist!
Glücklicherweise vergessen unsere Hunde nicht alles zur gleichen Zeit. Auch werden manche gelernten Signale und Strategien gar nicht aussortiert. Beim Junghund sollte man sich demnach unbedingt darauf konzentrieren, was der Hund noch anbieten kann. Wir müssen uns in dieser Zeit also fragen, welche Autobahnstrecke noch gut befahrbar ist, damit die Kooperation mit dem Menschen weiterhin Spaß macht und kein unnötiger Frust aufkommt, weil wir gemeinsam mit unserem Hund vor einer Totalsperre stehen und warten bis diese wieder aufgehoben wird.
Unterdessen gehören Signale, die nicht funktionieren, auf die Ladestation und müssen noch einmal kleinschrittig aufgebaut werden. Im Training bedeutet das, möglichst kreativ zu sein und sich nicht auf die Durchsetzung eines bestimmten Signals zu versteifen. Kann dein Hund z.B. das Signal „Sitz“ nicht mehr umsetzen, könnte dein Hund z.B. einfach für ein „Steh“ belohnt werden, das er in dem Moment vielleicht sowieso schon ausführt.
Social Support in Angstphasen
Werden unsere Hunde erwachsen, bricht also die bis dahin mehr oder weniger linear verlaufende Lernkurve plötzlich mit dem Einsetzen der Pubertät und der Adoleszenz zusammen. Vorlieben, Bedürfnisse und Interessen verändern sich. Wir müssen uns dabei immer bewusst machen, dass das nicht nur für uns Menschen eine Veränderung darstellt. Auch für den eigenen Hund sind das alles komplett neue Erfahrungen und Eindrücke, die mitunter auch überfordern können. Vor allem Hunde, die bereits als Welpe eher unsicher waren, können jetzt richtig Schwierigkeiten bekommen. So sind extreme Angstphasen während der Adoleszenz vollkommen normal und unsere Hunde brauchen gerade in diesen Phasen viel Social Support von uns. So fühlen auch wir Menschen uns beispielsweise nach einer tröstenden Umarmung in unangenehmen oder blöden Situationen nicht nur zufällig manchmal ein wenig besser. Denn Trösten ist eine soziale Interaktion, die sozialen Lebewesen wie uns Menschen oder auch unseren Hund hilft, Angst besser zu verarbeiten.
Lassen wir unseren Hund aber stattdessen mit seiner Angst allein, kann dies ernsthafte Auswirkungen auf die Beziehung zum Junghund haben, da wir in der Folge keine zuverlässigen Bezugspersonen für den Hund darstellen. Gerade in der Junghundeentwicklung gibt es somit verstärkt Probleme mit dem Allein bleiben, da Emotionen wie Frust, Angst oder Stress viel stärker in den Vordergrund des Hundegehirns rücken und unsere Abwesenheit plötzlich neu bewertet wird. Die sogenannten Angstphasen sind zwar nicht von Dauer, können jedoch dauerhaft werden, wenn wir unseren Hund mit seinen Problemen und Ängsten allein lassen und nicht auf seine Bedürfnisse eingehen. Alles zum entspannten Alleinbleiben deines Hundes erfährst du in unserem Webinar: „Entspannt alleine bleiben”.
Das Verhalten verändert sich in der Adoleszenz
Außerdem wird die Umwelt für den Junghund im Vergleich zum Welpen immer interessanter. Das liegt daran, dass er Gerüche besser wahrnimmt und ihnen größere Bedeutung beimisst. Er muss schließlich jetzt eigenständig Beute, Nahrung oder einen Fortpflanzugspartner finden und hat nicht mehr seine Hundefamilie, die ihn versorgt. Das ein Junghund sehr nasenorientiert ist, ist folglich vollkommen normal. Es ist eine neue Welt für den jungen Hund und er braucht Zeit, diese kennenzulernen. Dabei verunsichert Neues zunächst immer und so kann es durchaus auch sein, dass dein Hund plötzlich schreckhafter und vorsichtiger wird.
Doch das ist noch nicht alles. In diesem Alter entwickelt sich auch die Individualdistanz. Also die Distanz, die dein Hund zu anderen Sozialpartnern benötigt, um sich in der Begegnung wohlzufühlen. Es kann also sein, dass dein Hund, der nie Probleme mit anderen Hunden hatte, plötzlich manche Artgenossen nicht in seiner Nähe haben möchte. Durch die Vergrößerung des emotionalen Teils des Gehirns wird der Junghund außerdem emotionaler reagieren. Was ihn als Welpe nur gestört hat, kann ihn jetzt richtig wütend machen. Emotionalität bedeutet auch, dass dein Hund jetzt schneller reagiert, wenn er sich in einer Situation nicht gut fühlt oder gegenteilig in freudiger Erwartung ist. Folglich muss der Junghund erst lernen, mit diesen starken Emotionen umzugehen und braucht dafür oft die Unterstützung seiner Bezugsperson.
Wie du deinen Hund am besten unterstützen kannst? Eine Möglichkeit sind Hundefreundschaften. Denn anders als Welpen haben Junghunde auch deutlich weniger Lust auf Spiel. Kontakt mit Artgenossen findet vor allem statt, um diese einzuschätzen und Sexualpartner zu finden. Es genügt also vollkommen, wenn der Hund einige gute Hundefreunde hat, mit welchen er regelmäßig schöne Sozialkontakte ausüben kann und mit denen Spiel auch möglich ist. Aber Achtung: Es kann durchaus passieren, dass Hunde, mit denen als Welpe noch ausgelassen gespielt wurde, in der Adoleszenz plötzlich zu Konkurrenten werden und Spiel auch hier in den Hintergrund rückt. Wie bei uns Menschen auch, verändern sich Sympathien und Antipathien im Laufe des Erwachsenwerdens.
Möchte man, dass Hundefreundschaften bestehen bleiben, gilt es darauf zu achten, dass diese gemeinsam schöne Erlebnisse haben. So kannst du z.B. immer am Anfang eines Treffens ein Ruheritual einbauen, indem jeder Hund auf seiner Decke einen Kauartikel bekommt. Außerdem dürfen die Hunde gerne dazu animieren werden, gemeinsam zu schnüffeln oder auch Dinge zu suchen, sodass die Hunde nicht immer in der Interaktion miteinander sind. Gemeinsames zur Ruhe kommen und gemeinsames Spiel sollten möglich sein. Sollte das Spiel zu grob oder zu einseitig werden, darfst du gerne mithilfe eines Abrufs eingreifen und den Hunden helfen wieder zur Ruhe zu kommen und die Erregung abzubauen. Denn eine gute Hundebekanntschaft besteht nicht nur aus Action, sondern bedient viele verschiedene Bedürfnisse der Hunde.
Keep cool!
In schwierigen Situationen gilt es, sich als Mensch nicht von der schlechten Laune des Vierbeiners anstecken zu lassen. Auch wenn es vielleicht in manchen Situationen schwierig erscheint, solltest du immer im Hinterkopf behalten, dass dieser gerade nicht anders kann und niemanden braucht, der ihn dann dafür auch noch blöd anmacht. Stattdessen braucht ein Junghund braucht eine zuverlässige Anlaufstelle, die ihm Sicherheit bietet, seine Bedürfnisse wahrnimmt und seine Ängste ernst nimmt. Gerade durch die Großbaustelle im Gehirn, benötigt der Hund auch oft Hilfe von seinem Menschen, um passende Strategien für unterschiedlichste Situationen zu finden. Laufe doch beispielsweise auf der gemeinsamen Gassirunde lieber einen großen Bogen um fremde Hunde, sodass du die Spannung einer frontalen Annäherung für deinen Hund bereits vorab auflösen kannst. Wenn du dich jetzt fragst, wie du deinem Hund tatsächlich durch diese emotionale Phase seines Lebens helfen und in unterschiedlichsten Situationen die richtige Strategie wählen kannst, wollen wir dir gerne unser Webinar: „Gelassen durch die Pubertät“ ans Herz legen.
Superkraft: Schnüffeln
Das heißt für uns Menschen, dass wir uns in Geduld üben und unsere gemeinsamen Spaziergänge mit Vierbeiner überdenken dürfen. Denn statt mit einem Junghund eine bestimmte Route verfolgen zu wollen, sollten wir uns stattdessen lieber Zeit zum Verweilen und ausgiebigen Erkunden einplanen. Das kann auch bedeuten, dass man dem Hund fünf Minuten beim Schnüffeln zusieht und die Welt durch Hundeaugen erkunden. Denn wie frustrierend ist es, wenn man doch in der Umgebung gerade erst das Spannendste entdeckt hat und dann aber weitergehen muss? Schließlich klappen wir Menschen den Thriller auch nicht an der spannendsten Stelle zu, oder? Und auch wenn für uns Menschen das Schnüffeln zwar lang nicht so spannend wie das Buch vom Lieblingsautor ist, hat das Schnüffeln einige tolle Effekte, die speziell bei Junghunden oft zu kurz kommen.
Hunde in der Adoleszenz sind öfter hektisch, hibbelig oder übereifrig. Schnüffeln senkt nicht nur den Blutdruck und die Erregungslage, sondern kann auch dafür sorgen, dass dein Hund besser denken kann. Wenn du beispielsweise mit deinem Hund in eine Situation kommst, in der er sich aus diversen Gründen total aufregen musste, kannst du durch Kekse streuen, den Hund zum Schnüffeln animieren und ihn so dabei unterstützen, wieder zur Ruhe zu kommen. Fressen und Kauen haben nämlich zusätzlich zum Schnüffeln einen beruhigenden Effekt, welchen wir dadurch nutzen können und auch sollten.
In der Ruhe liegt die Kraft
Wie wir jetzt also bereits wissen, ist Ruhe bei Junghunden generell so eine Sache. In der Adoleszenz wird sowohl bei Rüden als auch bei Hündinnen Phasen geben, in denen sie sehr schlecht zur Ruhe kommen werden, da die Hormone gerade Zumba tanzen und das Gehirn einer durchzechten Nacht gleichkommt. Verständlicherweise haben unsere Hunde also während dieser Phasen keine Frustrationstoleranz oder Impulskontrolle. Wir sollten daher unsere Ansprüche stark herunterschrauben. Wichtig zu wissen: Unsere Hunde sind in diesen Phasen oft chronisch übermüdet und brauchen also kein extravagantes Programm zur Auslastung. Der Stresspegel ist oft zu hoch, als dass sie in Ruhephasen übergehen könnten. In der Folge sollten wir uns überlegen, wie wir gezielt Entspannung und schöne Erlebnisse erzeugen können. Stressreduktion steht also bei Junghunden ganz oben auf der To-Do-Liste und wie du gezielt für Entspannung sorgen kannst, erfährst du in unserem Webinar: „Entspannt in allen Lebenslagen”.
Jeder Hund ist irgendwann erwachsen
Viel Informationen zu einer anstrengenden, aber natürlich auch wahnsinnig spannenden Phase im Leben unserer Hunde. Was du nun auf den gemeinsamen Weg mitnehmen solltest: In der Regel wird sich die Lage deutlich entspannen, sobald die Adoleszenz abgeschlossen ist. Denn unsere Hunde sind ab diesem Zeitpunkt wieder in der Lage, nachhaltig zu lernen und für diese Phasen Strategien zu erarbeiten, die ihnen helfen, den Frust zu überstehen. Die Pubertät und die Adoleszenz sind zwar für uns Hundehalter*innen anstrengende Phasen – das lässt sich wohl nicht von der Pfote weisen. Allerdings bietet die Junghundeentwicklung auch die einmalige Chance, unseren Hund in all seinen Facetten kennen und lieben zu lernen. Und wir sind uns sicher: Gemeinsam schafft ihr den Schritt ins Erwachsenenleben!
Und solltet ihr dabei Unterstützung benötigen, freuen wir uns, euch mit unserem Bundle auf eurem weiteren Weg begleiten zu dürfen. Denn die Pubertät ist eine Phase, die nicht nur von Horrorgeschichten begleitet wird, sondern in welcher wir auch tolle Möglichkeiten haben, die Zeit gemeinsam mit unserem Hund zu meistern und sogar noch enger zusammenzuwachsen!